Visuell-optische Fehlerbilder und Prüfkriterien

Anwendungsbereich

Zweck des folgenden Textes ist es, bestimmte Hintergrundinformationen über die visuell-optischen Eigenschaften von abbildenden Fiberoptiken, sogenannten Bildleitern, bereitzustellen. Ziel ist es, typische normale und abnormale Störungen der Funktion vorzustellen und von uns angewendete Prüfkriterien zu illustrieren.

Eine Einführung in die optischen Eigenschaften von abbildenden Fiberoptiken zu geben, wird hier nicht angestrebt.
Außerdem sind alle nichtabbildenden Optiken, also reine Lichtleiter (Signalleiter, Monomode‑ oder Multimode-Fasern, etc.) gleichermaßen nicht Gegenstand des Textes.

Eigenschaften in der Qualifizierungsprüfung und in der Serienprüfung

Die in der Praxis auftretenden Fehlerbilder können nach visuell-optischen und nach stofflich-mechanischen Kategorien unterschieden werden. Die visuell-optische Kategorisierung spielt eine große Rolle bei der Serien‑ und Einzelstückprüfung, während die Kategorisierung nach stofflich-mechanischen Eigenschaften vorwiegend bei den Bauart‑ und Qualifizierungsprüfungen eine Rolle spielt.
Diese Materialeigenschaften im engeren Sinne, können deswegen im Rahmen der obengenannten Zielsetzung weitgehend außer Acht gelassen werden.

Es sei darauf hingewiesen, daß die Materialeigenschaften der Fiberoptiken sowohl beim Applikationsdesign als auch bei der Weiterverarbeitung der Fiberoptiken dennoch von großer Bedeutung sind. Insbesondere durch inadäquate Verarbeitung können die visuellen-optischen Eigenschaften nachträglich deutlich verschlechtert werden und zu Fehlerbildern führen, die als erworbene Defekte zu gelten haben. Daher wollen wir eine Auflistung jener Materialeigenschaften, die im Rahmen des Systemdesigns und beim Systemaufbau eine besondere Bedeutung haben können, nun als ergänzende Information voranstellen.

Stofflich-mechanische Eigenschaften

Die folgenden Materialeigenschaften im engeren Sinne müssen bereits beim Applikationsdesign sorgfältig auf die erforderlichen Toleranzbereiche abgestimmt werden. Hier eine Auflistung der wichtigsten Materialeigenschaften:

  • chemische Beständigkeit
  • Vakuumdichtigkeit
  • Ausgasungsraten im Ultrahochvakuum
  • Beständigkeit gegenüber Bestrahlung (Teilchen‑, Licht‑, Wärmestrahlung)
  • elastische Eigenschaften (z.B. Festigkeit)
  • thermische Eigenschaften (z.B. lineare Ausdehnung und Anisotropie)
  • thermo-elastische Eigenschaften (insbesondere eingefrorene Spannungen)
  • elektrische Eigenschaften (insbesondere Leitfähigkeit)
  • chemische Oberflächeneigenschaften
  • physikalische Oberflächeneigenschaften, insbesondere Rauhigkeit
  • mechanische Abmaße.

Bis auf die beiden letztgenannten Punkte, mechanische Abmaße und Oberflächenrauhigkeit, spielen diese stofflich-mechanischen Eigenschaften bei der rein phänomenologischen Betrachtung der visuell-optischen Fehlerbilder im Folgenden kaum eine Rolle. Bei den mechanischen Maßunzulänglichkeiten sind hier geringe Parallelitäts‑ und Formabweichungen jedoch manchmal relevant, z.B. wenn ballige und planparallele Oberflächen optisch zusammenkommen, da es dann zu störenden Interferenzerscheinungen kommen kann (siehe Abbildung: Newtonsche Interferenzringe).

Newtonsche Interfenz-Ringe

Newtonsche Interfenz-Ringe

Funktionsweise

Abbildende Fiberoptiken bestehen aus angeordneten Bündeln von vielen, kollinear verlaufenden Lichtleiterfasern, die entweder parallel, gebogen oder sich verjüngend angeordnet sein können. Diese Faserbündel (Multis) werden raumerfüllend nebeneinander angeordnet. Je nach Fabrikat und Applikation werden hexagonale, quadratisch-schachbrettartige oder quadratisch backsteinmauerartige Anordnungen der Faserbündel angeboten.

Fiberoptik in hexagonaler Anordnung, mit EMARegelmäßige Faseranordnung im Rechteckmuster

Fiberoptik mit Faserbündelanordnung vom Typ "Backsteinmmauer"

Licht, das eingangsseitig in eine Faser, genauer in den Faserkerndurchmesser (core), eintritt, wird durch vielfache Totalreflexion an der Faserhülle (cladding) durch die Faser hindurch bis zur Austrittsapertur geleitet. Die maximale Lichttransmission wird durch Einkopplungsverluste auf der Eingangsseite, durch Dämpfung innerhalb der Faser, durch Übersprechen zwischen benachbarten Fasern sowie durch Auskoppelverluste auf etwa 70 % reduziert. (Zur Einschätzung dieses Mittelwerts beachte man, daß diese Lichtausbeute die Transmission von Linsenoptiken in vielen Fällen bei Weitem übertrifft.)

Funktionsstörungen

Lokale Abweichungen von diesem Mittelwert der Transmission äußern sich als lokale Kontrastvariationen. Diese führen zu Abbildungsfehlern, welche die Homogenität des Bildes verschlechtern können (Flecken). Dieses Fehlerbild entsteht durch beschädigte Fasern oder unregelmäßige Packung von Fasern, Faserbündeln oder an Faserbündelgrenzen.
Runder Kontrast-Fleck an einem isolierten FaserfehlerKontrastfleck, scharf begrenzt auf die Multi-Multi-Grenzlinie

Fleck mit schwachem KontrastUnscharf begrenzter Kontrastfleck
Fleck mit Umgebung

Falls diese Abweichungen der Ordnung zusätzlich langreichweitig sind, führt dies zu Abbildungsfehlern, die zum Beispiel als geometrische Verzerrungen der Abbildung in Erscheinung treten können.

Verzerrung auf mesoskopischer SkalaGeringfüge Fehlordnung an einer Multi-Multi-Grenzlinie

Verzerrung an einer Multi-Multi-Grenzlinie (Detail)

Solche visuell-optischen Fehlerbilder können in mikroskopische, mesoskopische und makroskopische Kategorien eingeteilt werden, je nach dem ob sich das Fehlerbild auf dezidierte Einzelfasern (–> mikroskopisch), auf wenige Faserbündel (–> mesoskopisch), oder kumulativ und über viele Multi-Multi-Grenzlinien hinweg erstreckt (–> makroskopisch).

Makroskopischen Fehler, die als Verzeichnung (gross distortion, shear distortion) bezeichnet werden, treten vor allem bei getaperten Fiberoptiken auf; hier ist auch eine makroskopische Verdrehung der Eingangsseite relativ zur Ausgangsseite um einen geringfügigen Verdrehwinkel möglich. Fiberoptiken, die mit einem Verdrehwinkel von 180 Grad hergestellt worden sind, heißen Twister.

Rein mikroskopische Fehler stellen im allgemeinen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dar, wenn ihr Auftreten eine geringe Dichte nicht übersteigt, keine lokalen Häufungen und keine Musterbildungen auftreten. Eine besonders bekannte und häufig störende Form der Musterbildung ist das „chicken-wire“, welches vollständig ausgebildet sein kann oder auch als „partial chicken-wire“ lokal mehr oder wenig ausgeprägt auftritt.

chicken-wire
Partielles Chicken-wire

Oft ist es sogar nützlich, wenn geeignete, solche Störungen gezielt eingebaut werden, um die räumlich-ausgedehnte Ausbreitung von anderen unerwünschten, makroskopischen Störungen zu unterdrücken (siehe Abb. mit schwarzen EMA-Faseren).

Fiberoptik mit hexagonaler Faseranordnung und zusätzlichen, schwarzen EMA-Fasern in regelmäßiger, nicht-interstitieller AnordnungEMA, Vergrößerung zirka 50fach.
Es sei angemerkt, daß eine langreichweitige hohe Regelhaftigkeit der Struktur für einige Anwendungen ebenfalls zu nicht beabsichtigten Nebenwirkungen führen kann. Beispiele hierfür:

  • Beugungsfiguren
  • langreichweitige Transparenz innerhalb der Faserzwischenräume, darausfolgend eine Verschlechterung der Kontrastübertragungsfunktionen (z.B. MTF)
  • Moiree-Effekte.

Moiree-Muster

Moiree-Muster

Klassifikation von Fehlerbildern

Aus Gründen der Systematik wollen wir bei der weiteren Betrachtung der typischen Fehlerbilder jeweils zwei Leitfragen stellen, zum einen die Frage „Wie sieht das Fehlerbild aus?“ (Phänomenologie) und zum anderen „Wo hat das Fehlerbild seinen Ursprungsort?“ (Lokalisation).

Außerdem wollen wir eine Unterscheidung treffen zwischen eingebauten Defekten (wie Faserfehlern) und den erworbenen Defekten (wie z.B. Kratzer oder Defekte durch Schlag, thermischen Schock oder ausgeübte Zug‑ und Druckkräfte).
Kratzer in der Oberfläche
Surface defect (chip)

Ausmuschelung

Ausmuschelung

Zur Phänomenologie:

Hier ist es zweckmäßig, folgende Phänomenologien zu unterschieden:

  • punktförmig erscheinende Defekte (z.B. tote Fasern, „EMA-Fasern“)
  • linienförmig erscheinende Defekte (z.B. „chicken-wire“)
  • flächenerfüllende Defekte (z.B. Flecken, Mattierungen)
  • volumenerfüllende Defekte (z.B. Ausbrüche, sog. „chips“ oder Einschlüsse)
  • Fehler der Anordnung oder Musterbildungen von Defektstrukturen
  • Geometriedefekte (wie z.B. Formfehler, Parallelitäts‑ und Winkelfehler)
  • andere als lokale Variationen der Eigenschaften sichtbare Effekte (etwa Gradienteneffekte).

Zur Lokalisation:

In Bezug auf die Ursprungsorte eines Fehlerbildes ist es zweckmäßig, bei der Inspektion von Material folgende Fälle
zu unterscheiden:

  • Defekte an oder in der Oberfläche (z.B. mechanische Verletzungen, Parallelitätsfehler und weitere allgemeine Form‑ und Maßfehler)
  • Defekte an inneren Grenzflächen (z.B. chicken-wire)
  • Defekte in bestimmten durchgängigen Faserbündeln (z.B. schwarze Flecken)
  • Defekte im Volumen (z.B. Risse und Sprünge)
  • Anordnung von Defektstrukturen zueinander (z.B. regelmäßig oder zufällig gestreut).

Zur Meßtechnik:

Die meisten Fehlerbilder äußeren sich als Variation der Transmission, d.h. als Kontraste. Deren meßbare Ausprägung hängt oftmals nicht nur von dem Objekt selbst, sondern auch von der Meßtechnik, insbesondere von der Beleuchtung ab. Es ist für die Beurteilung in den meisten Anwendungen eher nicht nützlich, extreme Formen der Beleuchtung zu wählen.

Wir bieten unseren Kunden je nach Bedarf sowohl Inspektion als Dienstleistung als auch Beratung für eigene Inspektionsaufgaben an.